Dr. Seltsams Frühschoppen

Andreas Scheffler sei unter den Frühschoppen-Leuten der Hinterhältige, schrieb einmal eine Journalistin. Das mag wohl stimmen, denn bei allen Alltagbetrachtungen oder biographischen Schriften ist doch immer ein plötzlicher Seitenhieb zu erwarten. Und der fällt meistens gnadenlos aus. Scheffler ist mit der nicht immer leichten Gabe bestückt, sich sehr ärgern zu können. Dann schimpft er drauf los. Über Kindererziehung, wenn sie denn ganz daneben abläuft, kann er sich besonders aufregen. Denn "kleine Kinder sind noch nicht verkorkst, und wer damit anfängt, bekommt von mir verbal eins auf's Maul." Aber hauptsächlich sind es die kleineren Dummheiten des Alltags, die Andreas auf's Korn nimmt. Dabei nimmt er sich selbst nicht aus. Er und die anderen Frühschöppner sind wohl besonders wegen ihrer Selbstironie so beliebt.

Sein Schimpfbedürfnis zu befriedigen, das macht Andreas mit Vorliebe in seinen Liedtexten besonders denen, die auf Politiker gemünzt sind:

Für Manfred Kanther:
"Kein einziger wohl, der dich jemals vermißt,
vielleicht ja der ein oder andre Faschist.
Doch eines das müssen wir dir zugestehn:
Da du nie gelacht hast, kanns dir nicht vergehn.""

Für Claudia Nolte:
"Claudia machs gut, geh zurück in die Thüringer Wälder.
Pack deine Koffer, flieg los und sei dann möglichst schnell da.
Geh, wo du wohnst,
womit du uns reich lohnst.
Setz dich und werd einfach älter."

Für Angela Merkel:
"Wenn du jetzt gingest, das wär der Hit, Angela,
Und nimm den Merz und den Meyer mit, Angela.
Keiner kann sagen, daß du ne Ahnung hättest,
drum zieh doch die Konsequenz.
Fehlt nur noch, daß du wie Helmut Kohl verfettest
und säufst wie seinerzeit Krenz."

Das könnte noch seitenlang weitergehen, aber wir wollen uns bescheiden; auch nicht weiter über's Schimpfen reden, denn eigentlich ist Andreas Scheffler Meliorist. Als die junge Gruppe 1991 aus ihrem damaligen Auftrittsort, dem BesetzerInnencafé Subversiv flog mit der Begründung sie seien alle Sexisten, da war Scheffler extrem verletzt und beunruhig. Der billige Vorwurf man sei Sexist, nur weil man ein Mann ist, macht alle Solidarität kaputt. Fortan ist Scheffler den Kampflesben und deren schwulen Mitläufern, die den Raußschmiß betrieben hatten, aus dem Weg gegangen.

Mancher Betrachter des Frühschoppens könnte meinen, daß Andreas eine Sonderrolle einnimmt. Er sitzt stets am linken Rand etwas abseits. Und oft ist er das Opfer von Sticheleien Hinarks, der sich über seine angebliche Fönfrisurlustig macht (ist gar nicht gefönt, sondern gesprayt). Oder der Doktor outet ihn als "praktizierenden Sozialdemokraten" (praktiziert gar nicht, ist Karteileiche). Das sind Scheingefechte und gehören zur zugegeben kaum erkennbaren Bühnendramaturgie. Auch die anderen bekommen oft genug ihr Fett weg: Der Doktor (inkonsequenter Altstalinist), Duschke (Humana-Ouitfit), Schmidt (Zicke), Evers (Glatze), Witte (weiß angeblich alles) und Husen (asexuell). So fügt sich durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten alles schön ineinander.

Zur Dramaturgie des Frühschoppens gehört auch gegen Ende der Vorstellung das Fortsetzungstheaterstück. In der letzten Saison haben die Kollegen Andreas Scheffler gedrängt, dies Stück zu schreiben. Und obwohl er sich das eigentlich gar nicht so zugetraut hatte, ist es ein großer Erfolg geworden. Zehn Monate - von September bis Juni - "Geburtstag im Viereck". Am Ende hatte die Handlung mit dem Titel überhaupt nichts mehr zu tun. Diepgen war in einen Dackel verwandelt, Westerwelle in einen Goldhamster. Pünktlich zum Bruch der großen Koalition war das Stück zu Ende und alle Beteiligten tot. Und vielleicht kann Andreas sich zu Gute halten, zum Ende dieser Regierung wenigstens ein klitzkleines Stückchen beigetragen zu haben...

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